Samstag, den 06. Oktober 2001
PD Dr. theol. Eckart Gottwald
„Die Geschichte von der Arche – das ist doch die Geschichte mit den Pinguinen: Die haben doch telefonisch reserviert.“ Grundschülerinnen wussten so ganz selbstverständlich die biblische Sintflutgeschichte zu identifizieren, hatte ihnen doch das Werbefernsehen diese Kunde von der Telekom vermittelt. Fragmente religiöser Überlieferungen, Zeitgeist-Ikonen, mythisch formulierte Heilsverheißungen und Wegweiser zum neuen Sein voller Befriedigung, Harmonie und Sinnerfüllung prägen das Spektrum visueller Kommunikation in unserer alltäglichen Lebenswelt. Sie zählen zum wichtigen Instrumentarium jeder Form von Marketing und vermitteln uns Erfahrungen einer vielschichtigen und mehrdeutigen Wirklichkeit. Sie liefern uns selten komplette, viel öfter nur bruchstückhafte Sinndeutungen des Lebens und werden in den ritualisierten Formen des täglichen Medien- und Konsumverhaltens gelernt, gedeutet und genutzt. Die Identitätsarbeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie ihre Suche nach Lebenszielen und ihr Bemühen um Sinnverstehen sind ihrem Einfluss in hohem Maße ausgesetzt.
Die Herausforderungen für Theologie und religiöse Bildung liegen auf der Hand. Wahrnehmung und Analyse der säkularreligiösen Formen der Alltagskommunikation, religionshermeneutische Erschließung ihrer Inhalte und Funktionen und schließlich die Vermittlung von Fähigkeiten, die öffentlich präsentierte Symbolik und Metaphorik kritisch zu nutzen und produktiv weiterzubilden, rücken ins Zentrum theoretischer Reflexion wie praktischer Bildungsarbeit. Denn individuelle Personwerdung, sowie Teilhabe am Diskurs über grundlegende Orientierungen und an der Gestaltung der Lebenswelt erfordern in der freiheitlich-pluralen Gesellschaft eine fundierte und möglichst vielseitige religiöse, weltanschauliche und ethische Bildung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Vortrag werden ausgewählte Beispiele visueller Texte zum Thema präsentiert.