Freitag, den 05. Oktober 2001
PD Dr. Hans-Ulrich Baumgarten
Die ästhetische Einstellung des Menschen zur Welt unterscheidet sich in spezifischer Weise von der bloßen Erkenntnis der Wirklichkeit. Einen Gegenstand als etwas Schönes zu betrachten ist etwas anderes, als ihn nur wahrzunehmen oder verändernd auf ihn einzuwirken. Die ästhetische Einstellung besteht in einer bewussten Zurücknahme der sich schon im sinnlichen Wahrnehmen äußernden Intentionalität des Subjekts auf Erfolg. Sie belässt den Gegenstand in dem, was er seinem Wesen nach ist, und erfreut sich gleichwohl an ihm. In einem ästhetischen Urteil wie „Dies ist schön“ drückt sich eine innere Zustimmung aus, die in der Einsicht liegt: „Wenn ich diesen Gegenstand hervorgebracht hätte, dann hätte ich es genau so getan“.
In Bezug auf das Naturschöne vergleicht Kant diese ästhetische Einstellung mit der religiösen. Im Glauben an eine Wirklichkeit, welche die empirisch wahrnehmbare Welt übersteigt, weiß der Mensch sich verwiesen auf einen Bereich, der seinem erkennenden Zugriff enthoben ist, von dem er sich aber gleichwohl abhängig fühlt. Diese gläubige Einstellung bedarf aber – genauso wie die ästhetische – einer besonderen intentionalen Leistung des Subjekts, die gelingen oder auch scheitern kann.