Samstag, den 28. September 2002, 11:00 Uhr
Abstract von Sigrid Tschöpe-Scheffler
Je weniger normative Richtlinien es für Erziehungsziele und -inhalte in unserer Gesellschaft gibt und je mehr tradierte Werte relativiert werden oder an Gültigkeit verlieren, desto stärker ist der einzelne auf sich und seine Kompetenzen, aber auch auf seine Defizite verwiesen. Folglich macht sich eine zunehmende Unsicherheit bei Eltern aller Milieus breit, die bewirkt, dass einige entweder unentschlossen oder rigide handeln, andere sich dem Erziehungsauftrag völlig verweigern.
Trotz der allgemein beklagten Unfähigkeit und Überforderung vieler Eltern in Erziehungsfragen ist davon auszugehen, dass die meisten Eltern ihre Kinder lieben und das Beste für deren Wohlergehen wünschen. Viele Eltern erkennen durchaus eigene Erziehungsschwächen und sind auf der Suche nach Hilfen und Unterstützungen, die sie nicht zuletzt auch in den unzähligen Erziehungsratgebern suchen, durch Beratung oder durch den Besuch eines Elternkurses erhoffen.
Je höher der Druck der Eltern, je größer die Problemsituation, desto eher ist die Tendenz bei Eltern erkennbar, nach schnellen linearen Lösungen zu suchen, die einem Ursache-Wirkungszusammenhang entsprechen. Menschlichen Begegnungen ist aber immer auch das Unverfügbare, Unmethodisierbare, nicht Planbare immanent. Phänomene also, wie z. B. die Liebe zum Kind, die nicht mechanistisch handhabbar und didaktisch sauber organisierbar sind.
Im ersten Teil des Vortrags soll gefragt werden, was entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende Faktoren in der Erziehung sein könnten und wie diese mit der Haltung und Rollenübernahme der Eltern und ihrer Selbstreflexion und Selbsterziehung zusammenhängen?
Im zweiten Teil werden Konzepte aus der Arbeit mit Eltern vorgestellt.
Unterstützungsangebote können insbesondere dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sie es vermögen, Eltern zu ermutigen in einen selbstreflexiven Prozess zu treten, sich mit anderen Eltern über ihre eigenen Alltags- und Erziehungskonzepte auszutauschen und durch ein Angebot an erweiterten Handlungsspielräumen offen zu werden für neue, entwicklungsfördernde Einstellungen und Verhaltensweisen.
Ein wesentliches Qualitätskriterium scheint u.a. zu sein, ob das Konzept angstfreie Räume und Möglichkeiten zur Selbstreflexion und Selbsterkenntnis bietet. Als ein Beispiel für eine gelungene Prävention soll u.a. das Elternkursprojekt des Deutschen Kinderschutzbundes „Starke Eltern – starke Kinder“ vorgestellt werden. Mit einem Forschungsdesign, das entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende Verhaltensweisen und Einstellungen von 200 Eltern vor und nach Besuch des Kurses untersucht hat, wurde unter meiner Leitung an der Fachhochschule Köln die Wirkung des Elternkurses „Starke Eltern – starke Kinder“ in einem einjährigen Forschungsprojekt evaluiert. Im Rahmen des Vortrages wird auf das Kurskonzept, das Forschungsdesign und die Ergebnisse der Evaluation eingegangen.