Lic.Theol. Peter Schönhöffer M.A.
ATTAC versteht sich als unübersehbares Stoppzeichen. Der bereits klassisch gewordenen Definition nach handelt es sich um eine Bildungsbewegung gegen gesellschaftspolitsiche Manipulation und Medienmacht mit Aktionscharakter. So soll der notwendige Druck auf Politik und Wirtschaft zur Umsetzung von Alternativen erzeugt werden: Eine andere Welt ist möglich. Dabei ist nach innen „arglos wie die Tauben“ nach außen indes „listig wie die Schlangen“ vorzugehen.
Von Manipulation zu sprechen ruft heutzutage Argwohn hervor. In merkwürdiger Gegenläufigkeit zu diesem Faktum bestimmt sie de facto aber das gesellschaftliche Leben. Marketing-Ichs und gesamtgesellchaftliche Befindlichkeiten werden offenbar mit Leichtigkeit herangezüchtet. Dies wird diskursanalytisch in den Themenfeldern Hypermedienzeitalter, Postmoderne und Neokapitalismus als Wirtschaftsweise und Lebensform nachgezeichnet.
Demgegenüber lautet der Grundkonsens von ATTAC: Die gegenwärtige Form der Globalisierung, die neoliberal dominiert und primär an den Gewinninteressen der Vermögenden und Konzerne orientiert ist, wird strikt abgelehnt: Die Welt ist keine Ware! ATTAC wirft die Frage nach wirtschaftliche Macht und gerechter Verteilung wieder auf und setzt sich dabei für die Globalisierung von sozialer Gerechtigkeit, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten, für Demokratie und umweltgerechtes Handeln ein: Es ist genug für alle da! In diesem Korridor emanzipatorischen Politik-verständnisses haben unterschiedliche Vorstellungen über Wege und Instrumente wie dieser Konsens in praktische Politik umgesetzt werden kann, Platz.
Die globale neoliberale Politik schlägt inzwischen endgültig auch auf Deutschland durch. Hier heißt sie Agenda 2010. Vorangetrieben wird sie von einer Allianz aus Arbeitgeberverbänden, Kapitalbesitzern, Bundesregierung, FDP und CDU/CSU. Was dort gewollt ist, kann man ohne Übertreibung eine anti-soziale Kulturrevolution nennen. Dabei geht es zentral darum, die Lasten der globalen Standortkonkurrenz auf die Beschäftigten, auf Erwerbslose und an den Rand gedrängte Menschen abzuwälzen. Gleichzeitig werden bei großen Unternehmen und Begüterten immer mehr Einfluss und Reichtum konzentriert.
Der übelste Auswuchs der Agenda 2010 ist Hartz IV. Hier wird entwürdigt, enteignet und verunsichert. Millionen Menschen geraten in prekäre Verhältnisse oder an deren Rand. Sie werden auf diese Weise erpressbar gemacht für Arbeitszeitverlängerungen und die weitere Privatisierung sozialer Sicherung. Die ganze Gesellschaft soll für die kapitalistische Verwertungsmaschinerie zugerichtet werden.
Für ATTAC ist klar, dass in einer Epoche krass einseitiger Mondialisierungen ein globalisierungskritisches Projekt wie ATTAC nur als internationales Projekt Sinn macht. Dabei geht es darum, die Fehler früherer Konzeptionen von Internationalismus zu vermeiden. Eine Zentrale gibt es nicht. Insofern unterscheidet sich ATTAC von internationalen Verbandsstrukturen wie Greenpeace. Jede nationale ATTAC Organisation ist eigenständig und für sich selbst verantwortlich. Die Beziehungen der einzelnen nationalen ATTAC untereinander funktionieren netzwerkförmig.
In den 90er Jahren wurden vor allem professionelle NGOs als die Träger kritischer und oppositioneller Positionen gegenüber neoliberaler Globalisierung wahrgenommen. Seit Seattle zeichnet sich ab, dass sich Kritik und Alternativen nun auch in radikaleren und anspruchsvolleren Formem einer neuen sozialen Bewegung niederschlagen. ATTAC trägt selbst stark Züge einer Bewegung. Durch seine Zusammensetzung enthält es aber auch Strukturen – Gewerkschaften, Verbände. NGOs – die festere und auf dauerhafte Stabilität ausgelegte Organisationsstrukturen aufweisen. Ein wissenschaftlicher Beirat begleitet die Arbeit.
ATTAC setzt darauf, den Erosionsprozess von Demokratie zu stoppen, möglichst viele Menschen zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam zu handeln. Dies reicht von kreativen Aktionen gegen die neue Welthandelsrunde der WTO oder solchen vor der Filiale eines in Steueroasengeschäfte verwickelten Konzerns bis hin zur Vertiefung und Orientierung des Protests rund um die „Montagsdemonstrationen“ der vergangenwen Wochen und Monate.