73. Jahrestagung – Abstracts

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Abstracts

Dr. Astrid Weißenburg, Karlsruhe

Gesellschaftliche Prozesse werden häufig räumlich erfasst: Woher kommen und wohin gehen Flüchtlinge? Wie werden Flüchtlinge räumlich in Städten und Gemeinden integriert? Die Verzahnung von (human)geographischen Raumtheorien und der (migrationsbedingten) Mehrsprachigkeit ermöglicht neue Blickwinkel in der Diskussion um Flucht und Mehrsprachigkeit in der räumlichen (Alltags-) Praxis. Wohnräume, Kommunikationsräume und Bildungsräume werden multilingual im Alltag verhandelt. Hierbei kann Heterogenität und Mehrsprachigkeit  als Ressource inkludiert werden. Der Vortrag skizziert theoretische Konzepte und bietet erste praktische Anwendungsbeispiele zur weiteren Diskussion.

Prof. Helmwart Hierdeis, Herrsching

Drei zusammenhängende Ursachen für xenophobische Einstellungen lassen sich ausmachen: die misslungene Ablösung von der Mutter (primäre Xenophobie: Angst vor der „Nicht.Mutter“), die rigide Sozialisation in einer geschlossenen Subkultur (sekundäre Xenophobie: Angst vor fremden Kulturen und ihren Vertretern) und Opfererfahrungen der eigenen Person oder anderer Personen (tertiäre Xenophobie: Angst vor typisierten Tätern). Xenophobie führt zu Wahrnehmungsverengungen, Denken in Gut-Böse-Stereotypen und zum Bedürfnis, die eigenen Bedrohungsgefühle mit anderen zu teilen. Wer xenophobisch fühlt und denkt, weiß sich immer auf der richtigen Seite

Marius Stark, Neuss

Kann ein Weinberg die Welt verändern? (…)
Der Kauf eines Weinbergs in Palästina als Friedensarbeit und Versuch der Völkerverständigung
Seit dem Frühjahr 2012 macht sich Marius Stark durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte er die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Dadurch ist er motiviert worden, sich auch in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Er wird über seine Aufenthalte und Erlebnisse berichten.

Dr.med. Ruth Pfister, Gießen

Ruth Pfister hat die intensivierte Krisenintervention (iKri) für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge entwickelt. Durch die Kenntnis der besonderen Lebensumstände der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF), ihrer psychischen Grundproblematiken und ihrer aktuellen inneren Beweggründe ist iKri, besonders auf die Bedürfnisse der umF zugeschnitten ist. Die niederfrequent eingesetzte Krisenintervention bezieht vorhandene Coping-fähigkeiten und die hohe Motivation der Patienten mit ein, um durch „Hilfe zur Selbsthilfe“ jede Behandlungseinheit mit einem, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen steigernden Handlungsplan, abzuschließen.

Olaf Schnur (vhw), Berlin

Die Quartiersebene nimmt bei den Debatten um gelingende Integration inzwischen eine herausragende Stellung ein: Einerseits werden manchen stark segregierten Stadtvierteln parallelgesellschaftliche Strukturen zugeschrieben und der dort wohnenden Bevölkerung Abschottungstendenzen unterstellt, andererseits ist es zur gängigen Programmformel geworden, dass „Integration vor Ort“ beginne, also im sozialen Nahraum, in der Nachbarschaft, im Quartier. Der Vortrag skizziert die Widersprüche, die zwischen Konzepten, Stadtentwicklungsprogrammen und der Alltagspraxis auftreten und mündet in Thesen für eine Weiterentwicklung quartiersbezogener Integrationspolitik.

Henning Dettleff (vhw), Berlin

„Eine Verwaltung ist Dienstleister für die Bürger“ – aber was bedeutet das in einer Gesellschaft mit zunehmender kultureller Vielfalt? Geeignete Strukturen und Prozesse sowie eine diskriminierungsfreie Organisationskultur sind zur Verwirklichung dieses Leitbildes genauso essenziell wie einschlägiges Wissen und Kompetenzen des Verwaltungspersonals, um mit Menschen verschiedener Herkunft erfolgreich zu kommunizieren.

Malte Daniljuk, Berlin

Abwehrhaltungen gegen das vermeintlich Fremde treten oft in Zusammenhang mit einer essentialistischen Vorstellung von Kultur auf: Die eigenen kulturellen Praxen werden als eine naturgegebene und statische Identität verstanden, welche sich zudem weitgehend innerhalb von nationalstaatlichen Grenzen definiert. Aus einer empirischen Perspektive erweist sich dieses Verständnis jedoch als ein Mythos. Die von Menschen verwendeten Zeichensysteme unterliegen einem permanenten Wandel, der wesentlich durch Kontakt angetrieben wird. Mit der Moderne – der Zunahme von Mobilität und der höheren Reichweite von Medien – hat sich dieser Kulturwandel entsprechend beschleunigt. Voraussetzung für Modernisierung sind jedoch auch Entlehnungen aus anderen Wissens- und Kulturbeständen.

Dr. Hansgeorg Rehbein, Krefeld

Integration der Flüchtlinge ist ohne die Zivilgesellschaft, ohne die große Zahl ehrenamtlicher Helfer nicht denkbar. Was aber kann die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit leisten, wo kommt sie an ihre Grenzen? Dieser Praxisbericht gibt einen Einblick in strukturelle und organisatorische Voraussetzungen, bürokratische Hemmnisse und erste Erfolge einer bürgerschaftlich organisierten Willkommenskultur und Integrationsarbeit